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Kerwa in Gesees – ein historischer Rückblick

 

Bereits ein Dokument aus dem Jahre 1428 soll das Kerwageschehen in unserer Region – dem Hummelgau – belegen. Heimatforscher sind sich jedoch sicher, dass diese ur-fränkische Tradition bereits als heidnisches Erntefest gefeiert wurde. Der Name Kerwa lässt sich am ehesten von der Kirchenweihe herleiten. Allerdings fehlen meist Aufzeichnungen, in denen das exakte Datum der Einweihung festgehalten wurde. Außerdem fehlt in manchen Orten, in denen Kerwa gefeiert wird, die sog. Kirche im Dorfe. Andere Forschergruppen versuchen daher über die Deutung des Wortes eine Lösung zu finden. Dabei soll das Wort Kerwa nichts mit der Kirchenweihe zu tun haben, sondern enthalte in seinem ersten Bestandteil küren oder kören, was erwählen bedeute. Neben der Begegnung von Verwandten und Bekannten, der Gastlichkeit mit Essen und Trinken, sowie der Freude und dem Tanz diente die Kerwa außerdem als florierender Heiratsmarkt für die heiratsfähige Jugend. Wieder andere deuten aus dem Wort Kerwa, das mundartliche Wort keren, was soviel wie schreien oder gröhlen bzw. in Gesees gotzn bedeutet.

Gleichwohl woher dieser Brauch stammt, es gibt sie fast überall im süddeutschen Raum und treten unter den Namen Kirwa oder Kirta im südlichen Bayern, Kirwe in der Pfalz, Kerwe im Kraichgau, Kirbe in Schwaben, Keer in Hessen oder Kirmes in nördlicheren Gegenden Deutschlands und in Franken eben als Kerwa auf. In Oberfranken und im Speziellem im Hummelgau ist sie mit ihrem arteigenen und altüberlieferten Brauchtum nahezu in Reinform erhalten.



In Gesees findet die Kerwa immer am Wochenende nach dem Erntedankfest statt. Somit kann man davon ausgehen, dass der Brauch wie oben erwähnt, auf ein germanisches Herbstfest zurückzuführen ist, an dem das Ende der Kornernte gefeiert wurde. Denn erst nach der Ernte hatte der Hummelbauer Zeit sich dem lasterhaften und ausgelassenen Kerwavergnügen hinzugeben.

Eine erste Beschreibung der Geseeser Kerwa findet man im „Gseesa Biekla“ aus dem Jahre 1842 von Pfarrer Johann Hübsch verfasst. „Fast in jedem Dorfe von nur einiger Bedeutung führen die jungen Burschen und Mädchen einen „Platz“ auf, d.h. sie ziehen paarweise gegen Abend unter Musikbegleitung vor den Maienbaum, und bilden um denselben einen Kreis.“ In früherer Zeit muss also noch ein Mai- bzw. Kerwabaum aufgestellt worden sein, der am „Platz“ bzw. am Plootz stand. Der Tanz um den Kerwabaum, der sog. Plan- oder Platztanz, wurde in der Vergangenheit von der Obrigkeit reglementiert und nicht wie zu vermuten von den ortsansässigen Burschen und Mädchen. Durch Verkünden des Kirchweihfriedens sollten die Feierlichkeiten vor Schlägereien und Streitereien geschützt werden.

Obwohl die Übeltäter mit hohen Strafen rechnen mussten, kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen während der Kerwa. Der Alkoholgenuss tat hier wohl oft sein übriges. Eine dieser Reibereien in Gesees ist als die „Große Kerwaschlacht (oder Hummelschlacht) von 1885“ in die Geschichte eingegangen. Die Gaststätte Pfaffenberger in Gesees wurde dabei regelrecht zerlegt. Ein Bursche aus der Umgebung wollte um eine Mistelbacherin werben, mit dem die Mistelbacher Dorfburschen jedoch nicht einverstanden waren. Die Geseeser als Hausherren griffen sodann in das Geschehen ein. Denn „Wer hot Kerwa? – Mir ham Kerwa!“ ist ein eindeutiger Zuruf, wer im Dorfe zur Kerwazeit das Sagen hat.  Die Mistelbacher mussten einiges einstecken und so kann es sein, dass von diesem Ereignis auch heute noch Sticheleien zwischen Geseesern und Mistelbachern herrühren.



Obwohl der Kerwabrauchtum in vielen Punkten in seiner Urtümlichkeit erhalten blieb, gab und gibt es von Zeit zu Zeit Veränderungen. Meistens besinnt man sich aber wieder und greift nicht mehr zeitgenössische Brauchtümer Jahre später wieder auf. Nach einem Bericht von Karl Meier-Gesees aus dem Jahre 1936 lehnte die Dorfjugend den Platztanz, sowie das Tragen der Tracht, den Bau der Tanzbruck und das Aufstellen des Kerwabaumes ab, da dies überholt und ferner zu geld- und zeitintensiv wäre. Manche hielten den Brauch sogar für völlig sinnlos. Beim Aufziehen einer Kerwafahne stritt man über „schwarz-weiß-rot“ und „schwarz-rot-gold“, so dass man es ganz unterließ. Am Kerwasonntag zogen dann von der Eckn die Bauernburschen und vom entgegengesetzten Ende des Dorfes die Arbeiterjugend hinunter zum Dorfplatz. Dort versuchte man sich gegenseitig zu überblasen, zu übersingen, zu überjuchzen und zu überschreien. Bei den Schlumperliedla versuchten die Burschen sich in Gemein- und Bosheiten zu übertreffen. Das genaue Jahr dieser Szene ist nicht genau bekannt, muss aber vor der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 stattgefunden haben. Das Aufstellen des Kerwabaumes und das Aufziehen der Kerwafahne dürfte daher ab dieser Zeit verloren gegangen sein. Der Platztanz findet allerdings auch heute noch großer Beliebtheit.


Mit dem Kriegsbeginn des 2. Weltkrieges am 01.09.1939 wurde keine Kerwa mehr abgehalten, denn viele von den jungen Burschen wurden in die Armee eingezogen (und zum Feiern war mit Sicherheit niemand aufgelegt). Somit war die letzte Kerwa vor dem Krieg 1938. Die erste Kerwa nach Kriegsende fand bereits wieder 1946 statt. Seit der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wurde in manchen Ortschaften keine Kerwa mehr ausgerichtet. Auch das langsame Verschwinden der Schlumperliedla ist ab den 50ger Jahren zu datieren. Im Hummelgau konnte sich aber im Allgemeinen der Kerwabrauch erhalten und genießt heute noch regen Zulauf. Eine große Anzahl von Burschen- und Kerwavereinen, die sich um die Ausrichtung der Kerwa kümmern, sind hierfür Zeugen.

In Gesees wurde am 13.01.2008 mit 49 Gründungsmitgliedern der Verein „Gseesa Kerwaboschn und -madla e.V.“ zum Erhalt der Tradition und des Brauchtums der Kerwaaktivitäten gegründet.

 

Auf das die Gseesa Kerwa weiter lebt! Denn: Wer hot Kerwa? – Mir ham Kerwa! Gseesa, Gseesa Kerwa! Tschihui…

 

1 Holzstich nach einer Zeichnung von Wilhelm von Diez aus Hummelgauer Heimatbote Nr.77/2007, S. 1

2 Privatarchiv GK, Aufnahmedatum unbekannt

3 Privatarchiv WS, Aufnahmedatum unbekannt

4 Privatarchiv GM, Aufnahmedatum unbekannt

 

Literatur (Auswahl):

Bauriedel, Rüdiger: Kerwascherzn, Bierstitzn und Rullngloos beim Plootztanz. aus: Hummelgauer Heimatbote Nr. 77/2007, S. 2 – 8

Bauriedel, Rüdiger: Der Platztanz: „na Plootz aufführn“. aus: Hummelgauer Heimatbote Nr. 78/2007, S. 3 – 7

Groß, Heinrich: Die Hummelschlacht. aus: Heimatbeilage zum Bayreuther Tagblatt – Bayreuther Land, S. 57 – 61, Bayreuth 1931

Meier-Gesees, Karl: Wenns Johr bluß aamoll Kärwa is. aus: Heimatbeilage zum Bayreuther Tagblatt – Bayreuther Land, S. 190 – 195, Bayreuth 1936

Nützel, Christian: Das Gseesa Kerwabuch. Gesees 2008

Nützel, Christian: Kerwaereignisse in Gesees und Mistelbach aus vergangenen Tagen. aus: Hummelgauer Heimatbote Nr. 85/2009, S. 8 – 12

Pfaffenberger, Helmut: Unser Hummelgau – Sitte und Brauchtum. Mistelgau 1988

Schwarz, Georg: Kirchweih (Kerwa) – Sitte und Brauchtum. aus: Heimatbeilage zum Amtlichen Schulanzeiger des Regierungsbezirks Oberfranken Nr. 116, Bayreuth 1985

 

Zusammengestellt von Christian Nützel (März 2013)